Hans-Peter Wodarz ist eins der beiden Gesichter vom PALAZZO Berlin. Edmund Becker führt alleine das Hexenhaus in Falkensee. Beide Spitzenköche kannten sich bislang noch gar nicht. „Schuld“ an ihrer Begegnung und an einer sich äußerst rasant entwickelnden Freundschaft ist ausgerechnet Andy Warhol. Was der 1987 verstorbene, amerikanische Künstler mit den beiden Köchen zu tun hat, fand Carsten Scheibe von „Unser Havelland“ am 19. Januar bei einem Küchengespräch im Hexenhaus heraus.
Nach zwei Jahren Corona-Pause feiert der Berliner PALAZZO mit Kolja Kleeberg & Hans-Peter Wodarz zurzeit seine Auferstehung im pompösen Spiegelpalast. Unweit vom Bahnhof Zoo können die Gäste noch bis zum 5. März die neue Show „Eskapaden“ passend zu einem leckeren 4-Gang-Menü genießen.
Wenn es um die Verquickung von sehr gutem Essen mit Showelementen geht, mischt auch Edmund Becker mit seinem Falkenseer Hexenhaus ganz vorne mit. Neben seinen berühmten Küchenpartys hat er die Dienstagabend-Reihe „WEIN KULTUR KULINARIK“ ins Leben gerufen. Steht ein solcher Abend an, so gerät jedes Mal ein anderer, bekannter Künstler in den Mittelpunkt des Geschehens.
In den vergangenen Monaten wurden auf diese Weise etwa Monet, Renoir, Picasso, Klimt, Mucha und Frida Kahlo geehrt. Am 24. Januar heißt es „Andy Warhol bittet zu Tisch“. Im Regelfall erzählt der Schauspieler und Synchronsprecher Frank Röth etwas über den ausgewählten Künstler. Edmunds Frau Anna Filimonova malt live ein Bild als Hommage an den Künstler, das am Ende des Abends versteigert wird. Und Edmund Becker kocht ein Menü ganz aus der Geschmackswelt des Künstlers.
Das wird am 24. Januar etwas anders zelebriert: Hans-Peter Wodarz überrascht die Gäste mit einem besonderen Dessert.
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Lieber Herr Wodarz, Edmund Becker lädt zum Andy-Warhol-Abend – und Sie haben spontan angeboten, am 24. Januar mit dabei zu sein, etwas über Andy Warhol zu erzählen und als Dessert Ihren berühmten „Dialog der Früchte“ anzurichten. Wie kam es denn dazu?
Hans-Peter Wodarz: „Ich habe Edmunds Werbung für den Warhol-Abend auf Facebook gesehen. Wir kannten uns vorher gar nicht. Ich habe Edmund einfach angerufen. Wegen Andy Warhol. Darüber hat er sich wahnsinnig gefreut. Er hat mir dann genau erklärt, was er vorhat – und das hat mir sehr imponiert. Wir haben wieder und wieder telefoniert und uns so schnell angefreundet, dass ich einen anderen Termin abgesagt habe, um am Dienstag mit dabei sein zu können. Und ich habe angeboten, dass ich nicht nur als Gast komme. Sondern dass ich den Gästen auch etwas über meine Bekanntschaft mit Andy Warhol erzähle. Außerdem will ich vor Ort das Gericht zubereiten, das ich passend für Andy Warhol kreiert habe, nämlich den ‚Dialog der Früchte‘.“
Andy Warhol und der „Dialog der Früchte“: Können Sie uns da mehr erzählen?
Hans-Peter Wodarz: „Ich war Gründungsmitglied vom COMMITTEE 2000, das bereits 1978 eine große Silvesterparty für den Jahreswechsel 2000 plante. Andy Warhol hat das Plakat für diese besondere Feier gestaltet – und 2.000 Stück davon signiert. Auf einer Pressekonferenz dazu hatte Warhol Flaschen von einem 75er Mouton Rothschild dabei, für das er das Label gestaltet hatte. Es zeigte viele ineinanderlaufende Farben. Das hat mich zum ‚Dialog der Früchte‘ inspiriert. Hier kommen verschiedene Fruchtpürees unterschiedlicher Farbe zum Einsatz, die auf dem Teller miteinander verschliert werden. Dieses Dessert habe ich für Andy Warhol erfunden. Wir haben es sogar zusammen serviert, und Warhol hat mit einem Eßstäbchen seine ganz eigenen Verschlierungen gemacht. Ich hatte meine Art, das zu machen, er die seine. Die Journalisten flippten förmlich aus. Das Dessert wurde in der Folge weltberühmt, kann ich sagen, weil hunderte Restaurants das sofort nachgemacht haben. So eine Verschlierung hatte es vorher noch nie gegeben. Ich habe das dann auch in der warmen Küche gemacht und Soßen miteinander verschliert, etwa eine weiße mit einer roten. Der ‚Dialog der Früchte‘ hat also direkt etwas mit Andy Warhol zu tun und deswegen wollte ich das auch gern bei Edmund machen. Ich habe mich mit ihm abgesprochen und es kommen Papaya, Mango, Kiwi, Erdbeere, Himbeere, Birne und Cassis zum Einsatz.“
Und das Hexenhaus haben Sie heute, am 19. Januar, zum allerersten Mal gesehen?
Hans-Peter Wodarz: „Ja, zum ersten Mal. Es ist absolut irre hier, ich bin völlig begeistert. Edmund und ich, wir planen schon weiter und denken im Sommer über eine gemeinsame Küchenparty im Freien nach. Mit tollen Künstlern und viel Entertainment.“
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Und Edmund – kennst du den PALAZZO?
Hans-Peter Wodarz: „Als wir wegen Warhol telefoniert haben, habe ich Edmund gleich gesagt, du musst mich unbedingt im PALAZZO besuchen. Da kam er auch, mit seiner Frau und seinem Sohn. Ich wusste es gar nicht, aber an dem Tag hatte er auch noch Geburtstag.“
Edmund Becker: „Ich hatte extra nichts gesagt. Das war so ein schöner Abend für mich. Es war alles so hautnah an einem dran. Ich war vor vielen Jahren schon einmal bei Pomp Duck and Circumstance gewesen, aber das ist lange her. Im PALAZZO, das war auf jeden Fall ein Abend, an dem ich mich noch sehr lange erinnern werde.“
Pomp Duck and Circumstance war für mich als Gast immer sehr frech und anarchistisch. Man wusste nie, was passiert. Als Kellner gab es den Gästehasser, die Nymphomanin, die Taschendiebin. Und wenn man nicht aufgegessen hatte, kam der Koch aus der Küche gestürmt und es wurde laut. Der PALAZZO ist dagegen sehr artig.
Edmund Becker: „Das könnte man heute alles nicht mehr machen. Man würde sofort verklagt werden.“
Hans-Peter Wodarz: „Das weiß ich nicht, aber die Leute würden das heute nicht mehr annehmen. Das war eben eine andere Zeit. Wir waren damals eine echte Sensation. Wirklich schräg. Wenn du beim Pinkeln warst, kam die Klofrau und hat dir dabei deinen Rücken massiert.“
Und der PALAZZO traut sich das nicht mehr?
Hans-Peter Wodarz: „Es ist eine andere Zeit. Es ist ein ganz anderes Konzept. Wir haben tolle Artisten, bessere denn je. Wir haben ein tolles Orchester. Wir haben weiterhin ein Vier-Gänge-Menü wie früher. Aber die Schauspieler, die früher die Rollen des Kochs, des Kellners und des Azubis gespielt haben, die gibt es nicht mehr. Ich hatte damals eine Schauspielertruppe aus der DDR gebucht, die kamen zu acht von der Clownsgruppe Salto vitale. Die waren einfach toll.“
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Edmund, wenn du als Koch Gast im PALAZZO bist, schaust du dir das Essen ganz genau an?
Edmund Becker: „Nein, das Essen schaue ich mir nicht mit den Augen eines Kochs an. Ich achte vielmehr auf das Gesamtbild. Ich weiß als Gastronom, dass man bei so vielen Gästen, die gleichzeitig bedient werden müssen, immer einen kleinen Qualitätsverlust hat. Für mich war es sehr spannend zu sehen, wie professionell das im PALAZZO ausgeglichen wird. Ich durfte mir auch die Küche anschauen und habe gesehen, wie die Abläufe sind. Das ist alles schon sehr beeindruckend. Da sitzen ja 360 Gäste im Spiegelpalast. Den Service nimmt man als Gast gar nicht so richtig wahr. Innerhalb von wenigen Minuten haben alle Gäste ihr Essen. Das ist schon eine logistische Meisterleistung.“
Pomp Duck, PALAZZO, Küchenparty im Hexenhaus. Der gemeinsame Nenner ist hier schon die Erlebnisgastronomie?
Edmund Becker: „Es passiert immer wieder, dass Gäste zum Essen kommen, da herrscht komplette Stille am Tisch. Die haben sich nichts zu sagen. Da ist es schon eine große Hilfe, wenn wir das mit etwas Entertainment auffangen können.“
Hans-Peter Wodarz: „Die Idee zur Erlebnisgastronomie kam ja damals in den 80er Jahren auf. Wir hatten in unseren Spitzenrestaurants überhaupt keine Stimmung. Ich erinnere mich deutlich. Es gab nur Zweiertische, es kam keine Stimmung auf, es herrschte Totenstille. Das war eine echte Scheißzeit. Das war ein Riesenunterschied zur lauten Lebensfreude der Italiener und Franzosen in ihren Restaurants. Ich bin dann eines Tages rübergegangen ins hessische Staatstheater. Der Intendant war ein guter Freund von mir. Dem habe ich gesagt, gib mir am Wochenende doch mal eine Opernsängerin, einen Sänger und einen Schauspieler rüber. Die haben dann bei mir im Restaurant serviert, gesungen und geschauspielert. Und auf einmal gab es dafür großen Applaus.“
Edmund Becker: „Das war doch geil. Die Leute essen gut und amüsieren sich dabei auch noch.“
Hans-Peter Wodarz: „Ja, absolut. Wir haben dann gesagt: Das Schweigen der Schlemmer ist vorbei! So fing das damals an. Das Konzept habe ich immer weiter fortgeführt. In meinem Restaurant „Die Ente vom Lehel“ in Wiesbaden habe ich dann Mitte der 80iger einmal im Monat Entertainment gemacht. Das hat sich immer weiter gesteigert. So ist auch Pomp Duck and Circumstance entstanden.“
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Pomp Duck and Circumstance war u.a. in Berlin ein Riesenerfolg. Herr Wodarz, Sie sind dann mit Pomp Duck 1995 erst nach New York und dann 1996 zu den Olympischen Sommerspielen nach Atlanta geflogen. Der USA-Ausflug war leider kein Erfolg: Sie haben drüben alles verloren!
Hans-Peter Wodarz: „Das stimmt. Mich hatten gleich mehrere erfahrene Leute vor Amerika gewarnt und deutlich gesagt: Mach das nicht!“
Edmund Becker: „Was mir bei dir gefällt, ist dieser ehrliche Satz. Du hast gesagt, du bist mit zwölf Containern in die USA gefahren und mit zwei Koffern wieder zurückgekehrt. Das sagt einfach alles aus: Ich habe es probiert, aber es hat nicht funktioniert.“
Hans-Peter Wodarz: „Das war schon hart. Aber wie immer im Leben gibt es so Situationen, die erden einen wieder. Ich stehe da also alleine mit meinen beiden Koffern auf dem größten Flughafen der Welt in Atlanta, da kommen plötzlich fünf Rollstuhlfahrer von den Paralympics angefahren. Die waren ganz aufgedreht und fuhren in Kreisen fahnenschwenkend um mich herum. Da habe ich mir gesagt: Wodarz, du stehst auf zwei gesunden Beinen. Du fliegst jetzt zurück nach Deutschland und fängst sofort wieder von vorne an. Dann hat mich der Guy Laliberté angerufen, das war zu der Zeit der Inhaber vom Cirque du Soleil. Dem habe ich einmal geholfen, mit seinem Cirque du Soleil nach Europa und nach Deutschland zu kommen, indem ich eine ganze Reihe Sponsoren besorgt habe. Der sagte mir: Damals hast du uns geholfen, jetzt helfe ich dir. Wir steigen bei dir ein. Drei Monate später gab es Pomp Duck schon wieder. Einen neuen Spiegelpalast mussten wir allerdings anmieten, der alte war ja in den USA geblieben.“
Sie sind beide bereits im theoretischen Rentenalter angekommen. Brennt da noch ein Feuer in Ihnen oder müssen Sie aus finanziellen Gründen weiter arbeiten gehen?
Edmund Becker: „Zu mir kommen immer wieder Leute und fragen mich: ‚Sag mal, wie lange musst du das denn noch machen?‘ Da sage ich immer: Ich muss überhaupt gar nichts mehr, ich habe einfach Spaß daran. Wobei ich mir natürlich meine Rente mit dem Restaurant aufbessern kann, die ist ja so fett nun auch wieder nicht. Ich kriege übrigens zwei Renten, eine aus Frankreich und eine hier in Deutschland. In Frankreich habe ich ganze 14 Jahre lang in Mougins u.a in meinem Restaurant ‚A la table d’Edmond‘ an der Côte d’Azur gearbeitet, daher kommt das mit der Rente. Ich koche noch immer sehr gern und probiere mich da immer noch mit viel Freude aus. In der Küche fühle ich mich wie ein Fisch im Wasser. Ich kann auch im Grunde genommen nichts anderes machen. Alle anderen Dinge, die ich in meinem Leben angefangen habe, sind alle in die Hose gegangen. Aber wenn ich koche und Gastgeber bin, dann bin ich in meiner Welt. Ich schwöre es, so wahr ich hier sitze: Ich habe einen tollen Beruf gelernt und das nicht eine einzige Sekunde lang bereut.“
Hans-Peter Wodarz: „Ich auch nicht. Wobei ich viele Höhen in meiner Karriere gehabt habe, aber auch einige Tiefen.“
Edmund Becker: „Ich denke, bei den Tiefen kann ich dich sogar noch überbieten.“
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Lieber Herr Wodarz: Ist es für Sie nach all den vielen Jahren noch immer aufregend, wenn eine neue PALAZZO-Saison beginnt?
Hans-Peter Wodarz: „Aber natürlich ist das noch immer aufregend. Und das gilt erst recht für die aktuelle Saison. Wir konnten schließlich zwei Jahre lang nicht auftreten. Diese beiden Corona-Jahre waren eine echte Katastrophe. Als es losging, hatte ich neben dem PALAZZO bestimmt 15 große Veranstaltungen geplant – mit Artisten, Musik und Essen. All das musste abgesagt werden. Der PALAZZO auch. Es war furchtbar.“
Lebt der PALAZZO in Berlin nicht auch vom Tourismus? Der hat ja durch Corona auch gelitten.
Hans-Peter Wodarz: „Nein, der Tourismus spielt beim PALAZZO eigentlich gar keine Rolle. Die Touristen bekommen bei uns eigentlich nie einen Platz, weil so kurzfristig immer schon alles voll ist. Es sei denn, der Tourist kümmert sich bereits ein halbes Jahr im Vorfeld um eine Reservierung. Es ist jetzt schon wieder so, dass unsere Stammgäste im Januar wieder Termine für die Weihnachtsfeiern Ende des Jahres festmachen. So einen großen Vorlauf gibt es da. Da haben die Touristen eigentlich gar keine Chance. Es sei denn, es gibt mal eine spontane Absage oder ein Gast wird krank.“
Wenn Sie zurückblicken, wie hat sich die Gastronomie verändert?
Hans-Peter Wodarz: „Keine Frage, die Zeit rast. Als ich damals vor 33 Jahren mit dem Spiegelpalast angefangen habe, da haben wir noch im Zelt geraucht. Wir hatten sogar einen Zigarettensponsor, der hat uns an jedem Tag etwa 40 Stangen Zigarretten geliefert. Die Schachteln haben wir auf die Tische gelegt. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Damals gab es auch keine Vegetarier, keine Veganer, keine Unverträglichkeiten, keine Tomaten- und keine Fischallergien. Es gab gar nichts. Die Gäste haben ihre vier Gänge gegessen und sind wieder gegangen. Heute bestellen etwa 20 bis 30 Prozent der Gäste ein vegetarisches Essen oder melden einen besonderen Wunsch an, weil sie eine Unverträglichkeit haben. Ich habe extra zwei zusätzliche Köche einstellen müssen, um darauf eingehen zu können. Das ist eine unglaubliche Veränderung in der Gastronomie. Und dann beschäftigt uns ja auch noch immer unser Personalproblem. Nach diesen zwei Jahren Corona-Katastrophe war es für uns ganz schwer, wieder Servicepersonal zu finden. Unsere Kellner haben sich in der Pandemie neue Jobs gesucht und sind da jetzt auch ganz glücklich, sodass sie auch nicht mehr zurückkehren. Einer fährt jetzt Pizza aus, verdient mehr Geld und ist abends zu Hause, um sich um die Familie zu kümmern.“ (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 203 (2/2023).
Der Beitrag Küchengespräche: Hans-Peter Wodarz vom PALAZZO Berlin zu Besuch bei Edmond im Falkenseer Hexenhaus! erschien zuerst auf Unser Havelland (Falkensee aktuell).